Gestern Abend, am 7. November 2018, erhielt das Alarmphone einen
direkten Anruf um 18.18 Uhr MEZ von einem Mann auf einem Boot vor der
Küste Libyens. Er sagte, dass sie etwa 100 Menschen auf dem Schlauchboot
seien, darunter mehrere Frauen und Kinder, die dringend gerettet werden
mussten. Sie waren bereits in der Nacht zuvor aufgebrochen und über 19
Stunden auf See, als sie uns anriefen. Später haben wir ihre
GPS-Position erhalten und blieben mit ihnen bis heute Morgen um 4.06 Uhr
MEZ telefonisch in Kontakt.
Wir haben die europäischen Behörden wiederholt über die dringende
Notsituation der Menschen auf dem Boot informiert. Wir haben uns sowohl
an die italienische als auch an die maltesische Küstenwache gewandt. Das
italienische MRCC hat sich wiederholt seiner Verantwortung entzogen und
behauptet, die libyschen Behörden für die "Rettung" der Migranten seien
verantwortlich. In diesem Fall würde die "Rettung" der 100 Menschen die
Rückkehr nach Libyen zu den Haftbedingungen, zu Folter, Erpressung und
sexueller Gewalt bedeuten - Bedingungen, vor denen sie versuchen zu
fliehen. Wir haben eine zivile Rettungs-NGO kontaktiert, die jedoch
nicht nah genug an dem Boot in Not war, um die Menschen aufzunehmen.
Vor einigen Stunden, um 7.46 Uhr MEZ, informierte uns das MRCC Rom, das
Boot sei von der libyschen Küstenwache gefunden und gerettet worden. Wir
haben keine andere Quelle, um diese Informationen zu bestätigen. Das
zivile Aufklärungsflugzeug Moonbird fliegt derzeit über das Gebiet, um
zu sehen, ob es Spuren dieses oder anderer Boote zu dokumentieren gibt.
Aber was kann ein Zivilflugzeug tun, außer zu dokumentieren, dass Boote
kentern oder nach Libyen zurückgeschleppt werden?
Wir fordern die europäischen Behörden nachdrücklich auf, Verantwortung
zu übernehmen und Such- und Rettungsaktionen durchzuführen. Es gibt
viele Rettungsschiffe, die eingesetzt werden könnten. Was aber fehlt,
ist der politische Wille im aktuellen rassistischen Klima gegen
Migrant*innen.
Europa hat den libyschen Behörden das Mandat erteilt, Menschen in Not
auf hoher See zu entführen. Wir finden keine Worte für die Perversität
der Situation - Folter oder Tod scheinen die einzigen Möglichkeiten für
Menschen zu sein, die Sicherheit in Europa suchen.
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